Dieser Blogbeitrag ist Teil der Reihe #RollKRIT (Rollenspiele zum Kampf gegen Rechtsextremismus durch Förderung von Inklusion und Toleranz). english below
Teil 7 – Eat the Reich
Eat the Reich ist wild, blutig und provokativ. Es geht in diesem TTRPG nicht um nüchterne Aufarbeitung, sondern um groteske Rachephantasien. Die Spielenden schlüpfen dabei in die Rollen untoter Partisanen, die sich buchstäblich durch Nazi-Deutschland fressen. Es ist Splatter mit politischer Botschaft, eine bewusste Überschreitung der Grenze zwischen Satire und Schock.
Antifaschismus als Satire
Für viele ist eine solch explizite Gewalt abstoßend, die Darstellung zu reißerisch, zu exzessiv. Doch genau das ist Teil des Konzepts von Grant Howitt, dem Autor des Spiels. Eat the Reich folgt einer Tradition der antifaschistischen Exploitation, die sich schon in Filmen wie Inglourious Basterds zeigte. Das Spiel treibt dieses Motiv noch auf die Spitze. Helden sind hier anarchische Vampire und das TTRPG lässt keinen Interpretationsspielraum: Faschismus ist nicht verhandelbar, sondern etwas, das ausgerottet werden muss. Indem Nazis nicht nur als Gegner, sondern als Futter für blutrünstige Kreaturen dargestellt werden, nimmt das Spiel ihnen Macht und verkehrt die faschistischen Ideologien einer Überlegenheit in ihr Gegenteil.
Satire ist ein oft genutztes Mittel, um Machtstrukturen bloßzustellen. Gerade in der Popkultur gibt es etliche Beispiele, in der die Darstellung von totalitären Regimen noch bewusst überzeichnet wird, um Reflexion über den Faschismus anzuregen. Von Chaplins Der große Diktator bis zu modernen Satiren wie Jojo Rabbit werden Humor und groteske Elemente genutzt, um Ideologien zu dekonstruieren. Eat the Reich folgt diesem Muster, indem es den Nationalsozialismus nicht nur als historisches Grauen, sondern als ultimativen Feind einer anarchischen, antiautoritären Kreatur darstellt. Die Vampire verkörpern das Gegenteil der faschistischen Ordnung: Sie sind chaotisch, unkontrollierbar und unsterblich.
Chancen …
Die Frage ist, ob sich ein solch extremes Spiel überhaupt für die Bildung eignen kann. Für ein breites Publikum ist die Ästhetik zweifellos zu drastisch, für historisch ungebildete Spielende könnte sie sogar zu problematischen Missverständnissen führen. Doch für die Arbeit mit jungen, medienkompetenten Erwachsenen könnte Eat the Reich in Einzelfällen möglicherweise spannend sein. Es könnte mit der richtigen Anleitung als Ausgangspunkt für Diskussionen über Feindbilder, Propaganda und die Inszenierung von Geschichte dienen. Die Spielenden könnten reflektieren, warum Nazis in der Popkultur oft als überzeichnete Schurken dargestellt werden und welche Risiken diese Vereinfachung birgt. Eat the Reich könnte gerade wegen seiner übertriebenen Gewaltdarstellung sogar zur Reflexion genutzt werden, um über alternative Wege des Widerstands gegen Extremismus zu sprechen – nicht über physische, sondern über politische, soziale und kulturelle Strategien.
… und viele Risiken
Eat the Reich ist jedoch auf keinen Fall ein Spiel für den Standard-Geschichtsunterricht. Seine Nutzung in einem Bildungskontext sollte ausschließlich mit sorgsam ausgewählten Zielgruppen und mit angemessener Vor- und Nachbereitung stattfinden. Und das auch nur in einem Kontext, der die Sensibilität des Themas respektiert – idealerweise unter der Moderation eines sachkundigen Pädagogen. Für jüngere Zielgruppen oder formale Bildungskontexte ist Eat the Reich definitiv nicht geeignet.
Verantwortungsbewusst spielen
Um Fehlinterpretationen oder eine Verharmlosung des Themas zu vermeiden, sollte mindestens beachtet werden:
- Vor dem Spiel: Eine Einführung in das historische Setting und die Intention des Spiels, um Missverständnisse zu verhindern.
- Nach dem Spiel: Debriefing und Reflexionsrunden, um die Erfahrungen zu verarbeiten und in den größeren Kontext einzubetten.
- Während des Spiels: Triggerwarnungen und Sicherheitsmechanismen sind unbedingt als notwendige Werkzeuge für respektvollen Umgang und schützende Spielkultur zu nutzen.
Howitt selbst hat seinem Spiel die folgenden Inhalts-Warnungen vorangestellt: „Dieses Spiel enthält Tod, Gewalt, schwere Verletzungen an Spielercharakteren und Nicht-Spieler-Charakteren, Blut, Vampirismus, mentale Beherrschung, Schusswaffen, animierte Leichen, Werwölfe, okkulte Magie, Faschismus, Nazis und Adolf Hitler.“
Erhältlichkeit
Eat the Reich ist direkt bei seinem Verlag „Rowan, Rook and Decard“ erhältlich.
Ebenso ist es bei den meisten deutschen Rollenspielhändlern zu bestellen – allerdings existiert es bislang nur in englischer Sprache.
Auszeichnungen
Eat the Reich hat 2024 Gold ENNIE Awards in den folgenden Bereichen gewonnen:
- Best Cover
- Best Art – Interior
- Best Adventure – Short Form
Es war außerdem für die Auszeichnung „Product of the Year“ nominiert.




This Blog Post is Part of the #RollKrit Series („Roll Dice to Knockdown Radicalism with Inklusion & Tolerance“).
Part 7 – Eat the Reich
Eat the Reich is wild, bloody, and provocative.This TTRPG is not about sober historical analysis but rather grotesque revenge fantasies. Players take on the roles of undead partisans who literally eat their way through Nazi Germany. It is splatter with a political message, a deliberate transgression of the boundary between satire and shock.
Antifascism as Satire
For many, such explicit violence is repulsive, the portrayal too sensationalist, too excessive. But that is precisely part of Grant Howitt’s concept, the game’s author. Eat the Reich follows a tradition of antifascist exploitation, seen in films like Inglourious Basterds. The game takes this to the extreme. Here, the heroes are anarchic vampires, and the game leaves no room for interpretation: fascism is non-negotiable; it must be eradicated. By depicting Nazis not just as enemies but as food for bloodthirsty creatures, the game strips them of power and turns fascist ideologies of superiority on their head.
Satire is a frequently used tool to expose power structures. In pop culture, there are many examples where totalitarian regimes are deliberately exaggerated to provoke reflection on fascism. From Chaplin’s The Great Dictator to modern satires like Jojo Rabbit, humor and grotesque elements are used to deconstruct ideologies. Eat the Reich follows this pattern by portraying National Socialism not just as a historical horror but as the ultimate enemy of an anarchic, anti-authoritarian creature. The vampires embody the opposite of fascist order: they are chaotic, uncontrollable, and immortal.
Opportunities…
The question is whether such an extreme game can be used for educational purposes at all. For a broad audience, the aesthetic is undoubtedly too drastic; for historically uninformed players, it could even lead to problematic misunderstandings. However, for working with young, media-literate adults, Eat the Reich could potentially be an interesting case study. With proper guidance, it could serve as a starting point for discussions about enemy images, propaganda, and the portrayal of history. Players could reflect on why Nazis are often depicted as exaggerated villains in pop culture and what risks this simplification entails. Eat the Reich, precisely because of its excessive depiction of violence, could even encourage reflection on alternative ways of resisting extremism – not through physical means but through political, social, and cultural strategies.
…and many Risks
However, Eat the Reich is by no means a game suited for standard history lessons. Its use in an educational context should only take place with carefully selected target groups and with appropriate preparation and follow-up. And even then, only in a setting that respects the sensitivity of the topic – ideally under the guidance of a knowledgeable educator. For younger audiences or formal educational contexts, Eat the Reich is definitely not suitable.
Playing Responsibly
To avoid misinterpretations or trivializing the subject matter, the following should be considered at a minimum:
- Before the game: An introduction to the historical setting and the game’s intention to prevent misunderstandings.
- After the game: Debriefing and reflection sessions to process experiences and place them in a broader context.
- During the game: Trigger warnings and safety mechanisms must be used as necessary tools for a respectful and protective gaming culture.
Howitt himself has included the following content warnings in his game: „This game includes: death, violence, grievous injury to player characters and non-player characters, blood, vampirism, mental domination, guns, animated corpses, werewolves, occult magic, fascism, nazis, and Adolf Hitler.“
Availability
Eat the Reich is available directly from its publisher, „Rowan, Rook and Decard.“
It can also be ordered from most role-playing game retailers.
Awards
In 2024, Eat the Reich won Gold ENNIE Awards in the following categories: Best Cover, Best Art – Interior, and Best Adventure – Short Form. It was also nominated for Product of the Year.
